Angelique und der Koenig by Golon Anne

Angelique und der Koenig by Golon Anne

Autor:Golon, Anne [Golon, Anne]
Die sprache: eng
Format: epub
veröffentlicht: 2013-11-07T16:00:00+00:00


Dritter Teil

Der König

Neunundzwanzigstes Kapitel

Der Reiter kam die Eichenallee herauf. Er ritt um den von der Herbstsonne vergoldeten Teich und tauchte vor der Miniaturzugbrücke wieder auf, deren Glocke er in Bewegung setzte. Hinter den kleinen, bleigefassten Fensterscheiben ihres Schlafzimmers beobachtete Angélique, wie der Mann abstieg. Sie erkannte die Livree der Dienerschaft Madame de Sévignés – ein Bote vermutlich. Einen Samtumhang über die Schultern werfend, lief sie eilends die Treppe hinunter, ohne erst abzuwarten, dass ihr eine Magd die Botschaft in aller Förmlichkeit auf silbernem Tablett überbrachte. Nachdem sie den Mann in die Küche geschickt hatte, wo er sich aufwärmen und stärken konnte, begab sie sich wieder hinauf und setzte sich, das Schreiben beglückt von allen Seiten betrachtend, vor den Kamin. Wenn es auch nur der Brief einer Freundin war – Angélique empfand ihn als willkommene Ablenkung.

Der Herbst war nahezu vorüber. Der Winter stand bevor, und der Winter war, weiß Gott, trübselig auf Plessis. Das hübsche Renaissanceschloss, dazu geschaffen, ländlichen Festen als Rahmen zu dienen, wirkte vor dem Hintergrund des entlaubten Waldes von Nieul wie erstarrt. Wenn es dunkelte, drang zuweilen das Geheul der Wölfe in den Park herüber, und Angélique fürchtete sich vor der Wiederkehr jener grausigen Abende, die sie im vergangenen Jahr nach dem Tode ihres Gatten fast an den Rand des Wahnsinns gebracht hatten.

Der Frühling hatte ihren Schmerz ein wenig gelindert. Sie war zu Pferde über die Felder gestreift. Doch allmählich hatte das eintönige Landleben ihr Gemüt aufs neue verdüstert. Der Krieg lastete schwer auf den Bauern. Die streitbaren Bewohner des Poitou drohten wieder einmal, die Steuereintreiber in den Fluss zu werfen, und es kam zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen katholischen und protestantischen Dörfern. All dessen überdrüssig geworden, weigerte sich Angélique, den auf sie einstürmenden Klagen ihr Ohr zu leihen. Sie zog sich immer mehr von den Menschen zurück.

Der nächste Nachbar war der Verwalter Molines.

Ein Stück weiter lag Monteloup, wo ihr Vater zwischen der Amme und Tante Marthe langsam dem Grabe entgegenging. Und kein anderer Besuch war zu erwarten als der Monsieur du Croissecs, eines grobschlächtigen Landjunkers, der ihr beharrlich den Hof machte und den loszuwerden sie sich vergeblich bemühte.

Ungeduldig erbrach sie das Siegel und begann zu lesen.

»Meine Teuerste«, schrieb die Marquise, »ich komme zu Euch mit einem Gemisch aus Vorwürfen und Herzlichkeiten, aus dem Ihr herauspicken mögt, was Euch beliebt, um am Ende, wie ich hoffen will, zu erkennen, wie sehr mein Interesse Euch noch immer gilt. Ihr habt mich in den letzten Monaten schmählich vernachlässigt. Zurückgezogen von der Welt lebend, gewährt Ihr Euren Freundinnen nicht einmal den Trost, Euch in der schweren Zeit, die Ihr durchmacht, zu stärken. Über Eure Flucht ist Ninon ebenso betrübt wie ich. Ich, die ich nach dem Verzicht auf die Liebe mein Herz mit freundschaftlichen Gefühlen angefüllt habe, sehe mich, da meine Freundschaft verschmäht wird, meines einzigen Gutes beraubt.

Genug der Vorwürfe. Ich fahre in diesem Ton nicht fort, weil ich Euch zu sehr liebe – wie es übrigens auch andere tun, die keineswegs alle männlichen Geschlechts sind. Denn dank Eures Charmes, Eures schlichten Wesens findet Ihr selbst vor denen Gnade, die Euch als Rivalin betrachten könnten.



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